Jha'Dur ist wie tausende Andere auch ein Opfer der Gehirnwäsche unter Lion Reeza's Herrschaft.
Nachdem sie in der Area MC5 abgefertigt worden war, wachte sie eines Tages in einem App der unterirdischen Stadt Tech Haven auf.
Ihr Kopf dröhnte vor Schmerzen. Ohne ein Quäntchen Erinnerung an ihre Vergangeheit turkelte Sie durch die Gänge der Hightech-Stadt.
Im typischen blauen Schein Tech Havens traf sie, noch immer benommen, auf einen PSI-Mönch, der für lange Zeit ihr Wegbegleiter werden sollte.
Kayztah - der Führer des wohlbekannten Clans der "War Angels".
Von ihrer neuen Familie führsorglich aufgepeppelt, wuchs in ihr das Interesse für Neurobiologie und Nanotechnologie.
Irgendwann beschloss sie, dieses rege Interesse in einer eigenen Firma zum Tragen zu bringen.
Als Entwicklungsleiterin von Cyberdyne Systems ist sie unter den Fallen Angels als zwar unauffällige, aber stets freundliche Wissenschaftlerin bekannt.
Doch birgt das Interesse für ihre Arbeit auch dunkle Einblicke in eine zwielichtige Vergangenheit,
die mit fortlaufender Zeit nach Ihrer Gehirnwäsche wohl nach und nach wieder zum Vorschein kommt...
In stiller Stunde, wenn man nur noch das Summen der Reaktoren Tech Havens vernehmen kann, sahen schon einige der arbeitwütigeren Wissenschaftler Jha'Dur des öfteren in die Tiefen der
SentryGun-verseuchten Reaktorräume steigen - gefolgt von ein, zwei Gen-Tanks oder anderen Kämpfernaturen.
Was sie dort unten, stets mit vielseitigen Nano-Instrumenten ausgerüstet, an ihren "Versuchsobjekten" experimentiert, lässt sich aufgrund krankhafter Schreie, die einige Bewohner Tech Havens
glauben wahrgenommen zu haben, nur schwer nachvollziehen.
Gefragt hat sie danach noch niemand... und wer will das eigentlich auch schon genauer wissen, wenn er Jah'Dur nach vielen Stunden zufällig in den engen Gängen Tech Havens begegnet und
dabei in die dunkelrot-leuchtenden Augen der Individuen hinter ihr sieht...
Schwarze Wolken ziehen über den Himmel…
Regen nieselt über die weite Ebene...
Ab und zu bringen grelle Blitze eine etwas makabre Lebendigkeit in die trostlose Landschaft.
Mein Blick streift über den Horizont.
Ich sehe Krieger…
Viele Krieger.
Ich tippe etwas in meine am Unterarm befestigte Konsole und verfolge die wechselnden Zeilen auf dem transparenten HUD, während ich für einen Augenblick die Lage um mich herum ignoriere.
Der Boden bebt gleichmäßig…
Meine Pupillen fokussieren vom Bildschirm meines HUDs direkt vor meinen Augen auf den Horizont zurück.
Scharen von Silhouetten lassen sich einer der lang gezogenen Anhöhen erkennen.
Die Erde zittert rhythmisch…
Ich spüre die dumpfen Schläge in meinem Magen.
Mein Blick schweift langsam aus der Ferne an mir vorbei in meinen Rücken.
Ich sehe mich einen kurzen Code in die Konsole meines HUDs eintippen.
Und ein tiefes, Furcht erregendes Grollen hallt über die weite Ebene…
„Guten Morgen Ms. Jha’Dur. Es ist 5.30Uhr TechHeaven Standardzeit.
Die heutigen Termine: 7.30Uhr Meeting mit dem Aufsichtsrat.
9.30Uhr Besprechung mit Professor Julius Dyson und Duncan Conroy.
12.30Uhr Mittagessen mit Susan Rain. … “
Während die Computerstimme im Hintergrund weiter ihren Dienst verrichtet, betrachte ich mein Gesicht im Spiegel.
Wenn man lange Genug in einen Abgrund schaut, schaut der Abgrund irgendwann auch in einen selbst…
„Guten Morgen Sue…“.
Einen leichten Knicks machend, erwidert Sie mit einem „Guten Morgen Entwicklungsleiterin“, während ein Retina-Scanner meine Person vor dem Eintritt in die Labore identifiziert.
„Hallo Miles… immer noch bei der Arbeit?“
Er blickt verwirrt von seinem riesigen Display zu mir herüber, nur um sich mit einem etwas verwirrten „ja, ja…“ wieder seiner Arbeit zuzuwenden.
„Machst Du Fortschritte?“
„Langsam aber sicher komme ich voran…“
„Hier sind die Daten, die ich gestern für Dich analysieren sollte. Ich hoffe Sie werden Dir weiterhelfen…“
Ihm eine kleine DataDisc gebend, genieße ich kurz die morgendliche Ruhe, die mit einem feinen Summen der Sicherheitsroboter einhergeht, bevor die anderen Mitarbeiter eintreffen.
„Es gibt 3immer noch ein kleines Problem mit der Xeno…“ – mit der rechten Hand weise ich den Professor an, nicht weiterzureden, denn ich höre den etwas schrillen Summton des Retina-Scanners vor der Labortür.
„Guten Morgen Susan“ begrüße ich meinen überpünktlichen ersten Mitarbeiter und so nahm ein typischer Tag in den Cyberdyne Labs seinen Lauf.
Ich pflegte in der Mittagspause immer einen Ausflug in das nobelste Viertel Neocrons zu machen. Das Chez Sypher dort erzeugt eine kaum woanders wieder findbare Idylle unserer ansonsten lebensfeindlichen Welt. Der Blick hinaus auf den Ozean ermöglicht mir die Gedanken meiner Zeit aus mir heraus in die Ferne zu projizieren und somit mir die eine oder andere Problemlösung zu erleichtern.
Ich verabschiede mich von Susan, mit der ich hier zu Essen pflege und begebe mich auf den kürzen Weg zur Grenze Neocrons: Das Geländer, welches mich von der steilen Klippe hinab in den Ozean, abgrenzt.
Die grelle Mittagsonne spiegelt sich noch einmal um ein Vielfaches in den blauen Weiten.
Ich schließe die Augen und genieße die frische Brise.
Ein CopBot kündigt im Hintergrund seinen Patrouliengang durch seine mechanischen Laufgeräusche an, während sich mein Blick in der grellen Nachtmittagssonne verliert.
…hunderte von WarBots der Thunderbolt Serie stehen in Reihe und Glied vor mir.
Mein Blick hebt sich langsam und betrachtet einen der Titanen, wodurch mir die Aura von Tod und Verderben dieser Vernichtungsmaschinen deutlich wird.
Während das Grollen dieser Armee von Goliaths in den Weiten der Ebene verhallt, senken sie alle ihre schultergestützten Raketenwerfer.
Mein Blick schweift wieder in die andere Richtung auf den Horizont.
Ein Augenblick der Ruhe...
Die Reihen der Krieger am Horizont fangen an zu laufen.
Erst langsam…
Dann schneller…
Dann Plasma! Hundertfaches hellgrün leuchtendes Plasma kommt aus ihrer Richtung wie ein Meteoritenregen auf meine Position zugeschossen.
Ich knie nieder.
Meine rechte Hand tippt einen weiteren Code in die Konsole des linken Unterarms, während dessen Hand die Finger spreizt und einen Schild um mich herum aufbaut, an welchem Sekundenbruchteile später eine geballte Ladung Plasma in Stakkatosalven aufprallt und mich trotz meiner Stellung einige Zentimeter zurückschiebt.
Mit einem letzten Tastendruck bestätige ich eine reihe von Befehlscodes.
Mein Blick zieht sich über meine rechte Schulter.
Wie ein Frosch betrachte ich nun von schräg unten eine hundertemeterlange Reihe von Kampftitanen.
Mein Blick schwebt an ihren Raketenwerfern entlang, während einer nach dem andern ein tödliches Geschoss hervorstößt…
Mein Blick senkt sich wieder über die Ebene, die nunmehr mit tausenden winzig wirkenden Kriegern überfüllt ist.
Und auf sie zurasend hunderte von Raketen… gleichsam einer Lichterkette, die die Dunkelheit erleuchtet.
„Bürgerin! Bitte weisen Sie sich aus!“
Wie benommen bleibe ich am Steilhang des ViaRosso4 stehen.
„Bürgerin Neocrons!“
Mein Blick schärft sich und erst jetzt nehme ich die Stimme des NCPD Officers richtig wahr.
„Ja… Entschuldigen Sie Officer… Entwicklngsleiterin Jha’Dur, Cyberdyne Systems… Fallen Angels.“ - stammele ich noch immer ein wenig benommen vor mich hin, während ich meine IDCard zeige.
Nichtssagend wendet der CopBot sich von mir ab und geht weiter seinen Weg.
Argwöhnisch blicke ich die riesigen Stahlkonstruktionen über mir an.
Quietschend und knarksend baumelt hier und da ein vom Wind bewegter Träger... das plätschern des Regens verleiht diesem eigentlich gefährlichen Ort eine eigenartige Monotonie.
Der Dome of York ist ein Trümmerhaufen...
In einem kurzen Augenblick schließe ich die Augen und versetze mich zurück in das schöne TechHeaven - in die Herrlichkeit seiner Ruhe mit dem sanften Summen der Maschinen...
Ein lautes Krachen eines herabfallenden Stahlträgers in meiner Nähe belehrt mich allerdings eindringlich, meinen Weg weiterzugehen.
Der Dome ist kein Ort für stielvolle Spaziergänge.
Und ich frage mich, wie es eigentlich dazu kommen konnte, dass die Fallen Angels ihr wunderschönes Zuhause gegen ein Trümmerfeld eingetauscht haben... es ist wahrscheinlich der Lauf der Dinge mit ihren Höhen und Tiefen.
Mit einem Tastendruck öffne ich die verbeulte Schiebetür, welche den Aufzug zu unserem neuen Labor im Sektor der Fallen Angels freigibt.
Wenige Sekunden später klettere ich die Leiter zum Eingangsbereich empor und wische mir mit einem leichten Anfall von Ekel die Finger an meiner Kutte ab.
Unser neues Labor ist leider noch Lange nicht auf dem technischen Stand der alten Caberdyne Labs, aber für die anfallende Grundlagenforschung reicht es hoffentlich.
Reges Treiben meiner Mitarbeiter vertreibt die gewohnte Ruhe meines Arbeitsplatzes. Hier stellt ein Tank ein neues Cabinet auf, da installiert ein Kollege eine neue Recheneinheit...
"Hallo Duncan... na? Kommen wir mit den Finanzen aus?", frage ich mein für das Finanz-Management zuständige Aufsichtsratsmitglied.
"Es wird knapp, aber fürs Erste kommen wir über die Runden... ."
Zustimmend nickend, wende ich mich an meine "rechte Hand" Susan Rain.
"Laufen die Umbauarbeiten einigermaßen zufriedenstellend?", erkundige ich mich nach dem allgemeinen Status.
"Wir haben seit der FLucht aus TechHeaven viel geschafft, Ms. Jha'Dur... ich denke in einigen Wochen ist bis auf das etwas unschöne Ambiente die Arbeitseffektivität wieder zu 100% erreicht."
"Was machen unsere Außenposten?".
"Es fehlt immernoch an Finanzen für eine stationäre Verteidigung, aber wenn die Angriffe nicht zunehmen, werden wir Sie halten können."
Zufrieden lächele ich Sie an und gehe weiter an eine Konsole.
"Ms. Nurmi? Wo bleiben eigentlich unsere Dyson-Brüder?".
"Sie sind leider immernoch dabei ihre hastig verstauten Arbeitsunterlagen zu sortieren... sie werden demnächst ihre Arbeit im Lab wieder aufnehmen können. ...ehe ich es vergesse: Ihre Forschungsstation wurde vorhin erfolgreich wieder aufgebaut. Wir haben Sie etwas abgeschottet vom Rest des Labs implementiert."
"Ich danke Dir Anne... ich werde dann die Nacht durcharbeiten, wir haben eine Menge aufzuholen... ."
Mit der Zeit wird es ruhiger im Lab und alle Mitarbeiter begeben sich in ihre Appartments für die Nachtruhe.
Mein term blinkt auf. Eine Nachricht von Miles Dyson...
Voller Erstaunen betrachtete ich ihren Inhalt.
Wir beide hatten vor den politischen Umbrüchen unter Ausschluss des restlichen Teams intensiv an einer neuen Art von NanoBots gearbeitet und er hatte mir soeben die fehlenden Daten für den Prototypen übermittelt.
Eifrig speichere ich die Infos auf einem DataCube und füttere damit meinen Forschungscomputer.
"Hoffentlich funktioniert es endlich..." flüstere ich aufgeregt und bestätigte den Synthetisierungsprozess für die ersten Bots.
Erstaunt betrachtete ich das Lichtpiel der Mikro-Laser, die in einem hermetisch abgeschotteten Panzerglaskasten an einer Biokultur arbeiteten.
Dies sind die Momente, die ich an der Wissenschaft so liebe.
Die Augenblicke, in welchen man Resultate erzielt und für die monatelangen Forschungengsarbeiten entlohnt wird...
Der Monitor neben mir blinkte urplötlzich rot auf!
"WARNUNG! Integrität der Synthetisierungskammer kritisch! WARNUNG! ...".
Und ehe ich es schaffte einen klaren Gedanken zu fassen, fing die Glaskammer auch schon an zu rauchen. "Wie ist das möglich? Das kann doch nicht..." und wie in Panik stemme ich meinen Stuhl weg von der Arbeitsstation.
Das Glas der Kammer fing einfach an zu schmelzen.
"Achtung! An alle Mitarbeiter! Kontermination unbekannter Art im CyberLab! Warnung! Höchste Lebensgefahr! Warnung!" dröhnte die Computerstimme der Sky-Net KI in meinen Ohren und ich lief hastig die Rampe hoch zum Ausgang.
"VERDAMMT!" - Die Tür zum Ausgang zeig keine Reaktion auf die hastigen Tastendrucke des Türöffners.
Panisch wende ich mich um.
Plötzlich fängt meine haut wie Feuer an zu brennen! Ich halte meine Hände schützend ans Gesicht, doch die Schmerzen werden immer intensiver, auch am Rest meines Körpers.
Während das Sky-Net weiter die Warnmeldungen ausgibt, liege ich schreiend auf dem Boden und wälze mich umher in der Hoffnung die Schmerzen los zu werden.
Mein Blick wird dunkel...
Ich erkennen die Silhouette einer Mönchskutte über mir und ihre hastige Stimme lässt mich in ihr meine Mitarbeiterin Susan Rain erkennen. "Ms. Jha'Dur! MS. JHA'DUR!" ---
Mein Blick wird schwarz...
...
Ich bin wieder auf dem Schlachtfeld... wieder ein Traum? Warum gerade jetzt? Verwirrt betrachte ich wie ein Geist das Geschehen...
Ein vermummter Krieger tritt an mich heran.
"Meisterin... wir müssen unsere Stellung hier aufgeben, der Widerstand der Neocron-Truppen ist zu stark. Unsere WarBots verzeichnen herbe Verluste... ."
Ich höre mich fluchende Worte ausstoßen und den Mann neben meiner Person anschreien.
"NIEMALS WERDEN WIR ZURÜCKWEICHEN! HOL DIE CODES FÜR DIE THUNDERBOLT-SERIE HERBEI! LOS!!!" und mein Blick wendet sich wieder auf das tobende Schlachtfeld.
Plötzlich explodiert neben mir einer der riesigen WarBot-Kampftitanen unter dem Plasma-Feuer der Reeza-Truppen und sein linker Kampfarm schleudert auf mich zu. Meine Hand spreizt sich für einen Schutzzauber - doch vergebens. Mein Körper wird von dem Stahlkoloss einfach mitgerissen.
Und ein zweites Mal liege ich auf dem Boden... nur aus einer anderen Perspektive.
Wo bin ich eigentlich... Wer bin ich eigentlich...
Das Geschehen unter mir verdunkelt sich, gleichsam einer Landschaft, über welche die Nacht hereinbricht.
[to be continued]
Jha'Dur
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